Freitag, 23. November 2012

Camden Freakshow

Die Wochen in Cornwall waren anstrengend. Ich war dauernd auf Achse und hatte keine Gelegenheit mal durchzuatmen und die gewonnen Eindrücke zu verarbeiten.
In London habe ich bei Josh & John ein Heim gefunden, wo ich relaxen kann und wenn ich will auch gar nichts machen kann, ohne das mich kritische Blicke mahnen jeden Tag ausgiebig zu nutzen.
Das ist es was ich wollte. Einfach mal gar nichts machen und dem Laster des alleine reisen frönen.
Dem Alleinsein. Zumindest ein bisschen.

Shumaiya, die beste Freundin von Josh, wohnte auch gerade vorübergehend im Haus.
Mein Glück! Denn die Jungs hatten nicht viel Zeit für mich und ich wollte unbedingt das Londoner Nachtleben erkunden. Shumaiya war dafür genau die Richtige.

Shumaiya ist 22, gebürtige Engländerin, aber ihre Eltern kommen aus Bangladesh, weswegen sie nicht sonderlich britisch ausschaut. Ihr Wesen ist eine Mischung aus herzlich, offen, unkompliziert aber vor allem frech und nicht gerade auf den Mund gefallen.
Sie studiert Design an der Goldsmiths, ist Ko-Trainerin des Jujitsuteams und kocht für ihr Leben gerne.
Shumaiya ist eine der wenigen Personen mit der man Pferde stehlen könnte und vor allem kann man gut mit ihr einen trinken gehen.
Und das haben wir auch zu genüge gemacht.

Am Freitag waren wir in 2 Pubs ins New Cross, Intrepit Fox, Cohbar und als um 3 alles geschlossen hat sind wir aus irgendwelches Gründen bis um 7 im Casino gelandet.
Am Samstag haben wir Camden unsicher gemacht. Ich hab keine Ahnung mehr wie die ganzen Läden hießen in denen wir waren. Irgend ein bekannter Pub, eine grausige Rockdisco und ein Metalpub waren dabei.
Wir hatten mega viel Spaß. Meine Geldbörse nicht.

Meine Erkenntnis vom Wochenende: Die Partystadt London ist eher ein Mythos.
Tatsache ist, dass in den Szeneclubs keine Szene ist, alles um 3 Uhr schließt, die letzte Underground schon gegen Mitternacht fährt  und die Nachtbusse 3 mal so lange nach Hause brauchen.
Ach ja. Mit den Preisen und dem Geschmack der Biere brauche ich gar nicht erst anzufangen.

Die Tage vergingen wie im Flug und da ich sonst nicht viel zu tun hatte, dachte ich, dass ich mich ja mal mit dem Typen aus dem Bass-Shop treffen könnte.
Wir verabredeten uns in Camden.
Da ich noch in Ruhe und vor allem ALLEINE über den Camden-market laufen wollte, bin ich schon mal vorgefahren.

Nichts ahnend bin ich also in einen der unzähligen Shops gegangen. Vor dem Shop hingen viele Bandshirts und das restliche Erscheinungsbild deutete auf das ein oder andere Schnäppchen hin.
An dieser Stelle sei noch mal erwähnt, dass ich mich auf einer mehrjährigen Reise um die halbe oder vielleicht sogar ganze Welt befinde.
Wenn ich etwas ganz bestimmt nicht brauche, dann sind das irgendwelche Schnäppchen in einem Laden der Bandshirts verkauft.
Man ist halt doch nur Frau.

Jedenfalls sah der Laden von innen noch weitaus mehr messie aus als von aussen.
Oder man kann sich das auch so vorstellen, dass in diesem Laden viel mehr Sachen zum Verkauf angeboten werden als eigentlich rein passen und diese zum größten Teil unter einer Staubschicht versteckt sind.
Die Bandshirts hingen so zahlreich auf den Kleiderstangen, dass es beinahe unmöglich war sie durch zuschauen.
Doch da kam mir auch schon eine stark gealterte, finster drein schauende Gothic Lady mit weiß geschminkten Gesicht, hoch toupierten Haaren und langem Gewand zur Hilfe.
Sie strotze nur so vor Unfreundlichkeit und machte mich darauf Aufmerksam, dass die Bandshirt, die ja so wieso alle unterschiedliche Preise haben, 20 Pfund kosten.
Für den Preis kann ich die auch gleich überteuert auf einem Konzert kaufen.

Während ich die T-Shits anschaute wurde ich von dem Besitzer des Ladens "begutachtet".
Er war alt, fett und würde wunderbar in eine Spelunke auf dem Kiez passen.
Während er mich von oben bis unten musterte (ich habe mal gehört man nennt so was "Blickficken") sagte er Sachen wie >> Oh so good looking, beautiful smile and eyes like stars<<
Hmm, ja danke...

Ich wollte den Laden verlassen, murmelte was von viel zu teuer und steuerte die Tür an.
Dieses Vorhaben stellte sich allerdings als schwieriger heraus als gedacht.
Der Ekelboss fing mich ab:
>>Come here! Come here!<< untermalt mit der passenden Fingerbewegung.
>>What is with this beautiful necklace?<< und er versucht mir ein Nietenhalsband umzulegen. Schnell wich ich einen Schritt zurück. >>Nee, lass mal. Aus der Phase bin ich in zwischen raus.<<
<<What is with a corsage? Come. Put down your Jacket. I put it on for you.<< fast schon sabbern betrachtet er meinen Körper.
Ich wich noch einen Schritt zurück und schüttelte mit dem Kopf.
>>Why not? Yours are small.<< Er schaute auf meine Brüste.
Ja danke auch...
Hilfe ich muss hier RAUS!!!
>>Why you don't buy a bandshirt?<<
>>TOO EXPENSIVE!!<<
>>10 Pound ok? Come here Mike. Show the beautiful Lady the bandshirts for 10 Pound.<<
Irgendwo aus dem gerümpel trat ein kleiner dratiger Mann mit 80'er Jahre Haarschnitt à la Motley Crue, gekleidet in eine enge gestreifte Hose, in die wahrscheinlich noch  nicht einmal mein Arm reinpassen würde.
Das muss wohl Mike sein.
Meinem Schicksal gefügt, folge ich ihm in der Hoffnung den Laden danach endlich verlassen zu können.
Bei den Bandshirts angekommen sagte er:
>>I dont't know why my boss thinks you are such an important customer. For me your are not.>>
Ach wie schön! Der ist ja genau so freundlich wie Schneewitchens Stiefmutter.
Meine Antwort:
>>Yes! Of course! Because for you is every one an important customer!<<
Ich ernte Kopfschütteln. Dachte er jetzt echt ich mein das ernst?
Das nächste was er sagt habe ich nicht mehr mitbekommen, da ich in meinem Kopf mit meinem Fluchtplan aus dieser Freakshow beschäftigt war.
Erfolgreich stand ich kurze Zeit später unter Londons schönen Wolken.



P.S: Diesen Text habe ich verfasst als ich bereits in Sri Lanka unterwegs war. Im Bus von Colombo nach Unawatuna während zahlreicher Nahtoderfahrungen.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen