Dienstag, 20. November 2012

Auf dem Rücken der Pferde, liegt man beinahe auf der Erde

Als ich am Montag in Plymouth am Bahnhof angekommen bin, habe ich mich erst einmal auf den Weg ins Zentrum gemacht.
Es ist immer wieder eine neue Herausforderung, wenn man in einer neuen Stadt ankommt, über die man gar nichts weiß und auch keinen Stadtplan hat.

Das heißt zuerst das Touristencenter suchen und schauen, dass man einen Stadtplan umsonst ergattern kann.
In Plymouth braucht man allerdings schon eine Karte um überhaupt das Touristencenter zu finden.
Ich habe die Suche aufgegeben.


 


Der erste Eindruck von Plymouth war nicht sonderlich positiv. Ich habe ziemlich viele versoffene Kerle, junge, übergewichtige Mädels mit Kindern und Schwangere, die rauchen gesehen.
Was mir aber besonders aufgefallen ist, dass ich dort viele Männer mit nur einem Bein gesehen habe.
Ja, die Tatsache alleine ist schon merkwürdig.
Als ich mich dann aber auf eine Bank setzte, kamen zwei Tauben zu mir und die hatten beide tatsächlich auch nur ein Bein. Da hab ich wirklich angefangen Angst um meine Beine zu kriegen. Vielleicht ist es besser in Plymouth nicht das Leitungswasser zu trinken. Man weiß ja nicht.

Da ich in Plymouth recht früh angekommen bin und mein Couchsurfing Host noch arbeiten muss, habe ich mich in ein Café gesetzt und gewartet, dass er sich meldet.
Und ich wartete und wartete und ...
Als sich dann um 19Uhr immer noch keiner gemeldet hat, habe ich mir doch langsam Sorgen gemacht, dass ich eventuell meine erste Nacht auf der Strasse schlafen muss. Und das in Plymouth.
Aber gut, dass ich meistens einen Plan B habe.

Am Tag vorher hat mich ein Mädel eingeladen, bei ihr zu schlafen und sie hat mir zum Glück ihre Handynummer gegeben. Ich habe sie angerufen.
Natalie ist 22 und kommt auch aus Deutschland. Sie wohnt erst seit einer Woche in Plymouth und macht hier ein Auslandssemester.
Wir haben uns an der Uni getroffen. Sie hat mir den Schlüssel gegeben und mir beschrieben wie ich ihr Haus finde. Dann ist sie mit ihrer Freundin gegangen.
Das ist echt krass wie viel Vertrauen man von fremden Menschen bekommt.

Bei ihr angekommen, habe ich es mir richtig gemütlich gemacht.
Das war so schön. Niemand war da und die Beiden sind auch die ganze Nacht weg geblieben. Ich drufte sogar ihren Laptop mit wifi benutzen. Ein Traum.
Eigentlich sollte ich die Stadt erkunden, aber ich war so froh alleine in einem Raum zu sein und einfach nichts zu machen.

Dann hat mich Lorenzo, mein eigentlicher Couchsurfinghost, doch noch angerufen und es hat sich herausgestellt, dass ich seine SMS, mit Wegbeschreibung zum Haus und wo der Schlüssel versteckt ist, nicht bekommen habe.

Am nächsten Tag bin ich dann zu ihm umgezogen.
Lorenzo ist schon älter, arbeitet als Anästhesiearzt im Krankenhaus in Plymouth und kommt ursprünglich aus Bayern.
Nachdem er mich abgeholt hat, sind wir zu ihm nach Hause gefahren und haben eine Kleinigkeit gegessen.
Anschliessend sind wir in den Stall zu seinen 3 Pferden gefahren. Seine kleine selbstgebaute Ranch liegt im Dartmoor National Park.
Er hat mich mit zum ausreiten genommen.
Ein unvergessliches Erlebnis. Das Wetter war perfekt, die Landschaft ganz anders als in Cornwall aber wieder unbeschreiblich schön und das ganze noch auf einem Pferd.
Das Leben hält soviel für einen bereit.

Im Dartmoor National Park gibt es hunderte freilaufende Ponys mit ihren Fohlen.
Wir sind mit unseren Pferden einfach an ihnen vorbei geritten. Die Fohlen sind wie wild herum galoppiert und vor lauter Übermut in die Luft gesprungen.
So etwas habe ich vorher noch nicht gesehen und diese Landschaft hat sich mir ins Gedächtnis eingebrannt.
Neben den ganzen Ponys, waren auch noch jede Menge Schafe und Kühe unterwegs.
Ich bin sehr dankbar das Lorenzo mir dieses Erlebnis geschenkt hat.

Allerdings war mein Pferd von der ganzen Sache nicht so begeistert.
Lorenzo's Pferde werden eigentlich nur von ihm oder seiner Exfrau geritten. Dementsprechend sind sie nicht gerade an andere Reiter gewöhnt und da meine Reitkünste eher zu wünschen übrig lassen, war das Pferd auch nicht sonderlich begeistert von der Idee mich herum tragen zu müssen.

Wie ich das mitbekommen habe?
Sagen wir so, es fehlte nur noch der Cowboyhut und ich hätte jedem waschechten Rodeocowboy Konkurrenz gemacht.
Das Pferd versuchte mich eiskalt abzuwerfen und das durchgehend.
Der harte Boden ist die eine Sache aber die Vorstellung in den Büschen rechts und links, mit den sehr harten und sehr spitzen Dornen (nein es sind eher Stacheln, so lang wie Schwerter) zu landen, ist eine ganz andere.
Da ich nun wirklich keine ungewollte Akupunktur mitten im Dartmoor National Park wollte, tat ich mein Bestes um im Sattel zu bleiben. Leider erschwerte mir das sehr die tolle Landschaft um mich herum zu genießen. Manchmal muss man halt Prioritäten setzen.
Meine war klar.

Am Abend war ich sehr erleichtert, dass alle meine Knochen heile geblieben sind und ich unversehrt von dem Rodeoritt zurück gekehrt bin.
Lorenzo kochte mir ein tolles Essen. Indisch. Er hat dort viel Zeit verbracht und fährt auch bald wieder hin, um in einem Hilfsprojekt mit zu wirken. Etwas à la Ärzte ohne Grenzen.
Als das Essen fertig war, habe ich mich gefragt, wo wir eigentlich essen wollen, denn einen Tisch besitzt Lorenzo nicht.
Im gleichen Moment drück Lorenzo mir ein Tuch in die Hand mit dem Kommentar:"Hier! Du kannst schon mal den Tisch im Wohnzimmer ausfalten."
Ähh ok!
Da saßen wir nun, auf einem großen Tuch in der Mitte vom Wohnzimmer und haben gegessen.
Was mich aber noch mehr verwunderte als unser Indoor-Picknick, waren die vielen mit Wasser gefüllten Teller um uns herum. Einer war sogar von einer Schreibtischlampe beleuchtet.
Lorenzo erklärte mir, dass es seine selbstgebauten Flohfallen sind. Denn seit das letzte Mal seine Exfrau mit den Hunden da war, hat er im ganzen Haus Flöhe.
Aha, Flöhe. FLÖHE?!
Und zack saß auch schon einer auf meinem Knie und einer auf meinem Teller und da hinten sprang auch schon einer die Luft und zwinkert mir zu.
Ich dachte mir vor meiner Reise, dass ich bestimmt irgendwann irgendwo Flöhen begegnen werde. Vielleicht in Sri Lanka, aber nicht schon in ENGLAND.
Wie ergiebig die selbstgebauten Flohfallen sind sei mal dahin gestellt.

Nach dem Essen verkündete Lorenzo mir, dass er jetzt wieder zu seinen Pferden fährt, da er immer dort die Nächte verbringt. Ich wäre herzlich eingeladen die Nacht dort mit ihm zu verbringen.
Hmm? Eine Nacht in einem Stall, irgendwo im kalten England ohne Klo mit einem älteren, sehr freundlichen aber doch auch ein bisschen verrückten Mann, der schon vorgeschlagen hatte, das wir ja bei Vollmond in einem nahe gelegenen See nackt schwimmen gehen könnten.
Oder eine Nacht in einem Haus mit Badezimmer, gleich eine Tür weiter und einem Bett. Zwar muss ich mir das Bett mit Flöhen teilen aber meine Endscheidung stand fest.
Lorenzo zeigte mir sein Schlafzimmer und sein Bett, wo ich schlafen kann.
Er versicherte mir das es wirklich ein gutes Bett ist. Denn als er es damals gekauft hat, hat er auch extra im Laden ausprobiert ob es gut für "Bettsport" geeignet ist.
Eine kleine Kostprobe der Testaktion folgte auch so gleich.

Am letzten Tag bevor mein Bus Richtung London fuhr, wollten Lorenzo mir noch eine tolle Schlucht im Dartmoor National Park zeigen.
Da er die Nacht wieder bei seinen Pferden verbracht hat und gleich am morgen reiten gehen wollte, bin ich mit dem Bus ins Dartmoor gefahren.
Dort angekommen wollte Lorenzo mich mit einem weiterem Ausritt überraschen. Ich fand das wirklich lieb von ihm und konnte natürlich nicht nein sagen, aber so wirklich wohl war es mir nicht mich wieder auf das Rodeopferd zu setzen.
Die Landschaft überwältigte mich wieder, doch das Pferd wollte mich lieber bewältigen.
Während wir durchs Moor ritten meinte ich zu Lorenzo, dass wenn ich an der Stelle des Pferdes wäre, würde ich einfach stehen bleiben und nicht mehr weitergehen, anstatt mich so abzubuckeln.
Darauf hin blieb das Pferd stehen.

Es hat mich gehört und hielt es wohl auch für die klügere Idee. Mir solls recht sein. Wer stehen bleibt kann mich nicht abwerfen. Oder so ähnlich.
Wir probierten alles mögliche um das Pferd wieder zum laufen zu bringen. Aber es wollte einfach nicht.
Nach einer Weile meinte Lorenzo, dass das Pferd bestimmt aufs Klo muss.
Aha.
Manchmal traue er sich nicht zu pisseln. Ich sollte mal absteigen und er geht mit ihm zusammen pisseln.
Okey.
Ich stieg ab. Lorenzo schnappte sich das Pferd, ging ein paar Schritte, blieb stehen...
... und das nächste was ich sah, war ein Strahl, der hinter dem Pferdekopf aus Lorenzos Richtung hervor kam...

Er macht ihm gerade doch nicht tatsächlich vor wie man pisst?
Doch er tuts!!!











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